Der einzige Weg, um wirklich frei zu sein

Auf ein Wort

Pfarrer Detlev Schuchardt, Bad Lippspringe

Pfarrer Detlev Schuchardt, Bad Lippspringe

Freiheit – ein großes Wort. Wann kommt er endlich, der Freedom Day? Schnell wird mit Fingern auf die gezeigt, die uns in der Freiheit, zu tun und zu lassen, was WIR wollen, einschränken. Immanuel Kant hat wörtlich geschrieben: „Die Freiheit eines jeden beginnt dort, wo die Freiheit eines anderen aufhört.“ Oder einfacher: Die Freiheit des Einzelnen hat ihre Grenze in der Freiheit der anderen.

Kants Ideen haben ihren Ursprung in der Bibel. Jesus sagt in der Bergpredigt: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ Ja, da stimmen wir schnell zu. Die sogenannte „Goldene Regel“. Aber warum sagt dann Jesus weiter, direkt im Anschluss sinngemäß: „Das ist der schwierigere Weg. Er ist eng. Die breite Masse will einen anderen Weg. Das müsst ihr wissen!“ Nun, Jesus kannte uns Menschen. Wir fordern vehement Freiheit – und meinen damit meist unsere eigene. Aber wir wollen gern auch einmal ein Stück vom Kuchen mehr als die anderen. Sicher, es ist anständig, auch einmal ein Auto aus einer Nebenstraße herein zu winken, auch, wenn man eigentlich selbst Vorfahrt hat. Aber oft hat man es eilig und denkt sich: Und der schafft das dann noch über die grüne Ampel und ich stehe wieder stundenlang bei Rot. Aber wenn wir selbst aus der Nebenstraße herauswollen und niemand lässt uns rein in die Kolonne, dann schimpfen wir auf den Egoismus der anderen. Es ist nicht leicht mit der Freiheit. Meine Freiheit endet an der Freiheit der anderen. Und wenn wir jetzt in diesen trüben Novembertagen davon hören, dass Gott in seiner Freiheit ALLE Menschen nach dem Tode zu sich holt und ihnen ewiges Leben gibt, dann findet das auch keinen breiten Zuspruch. Wirklich alle? Auch die ungeliebte Nachbarin? Den ewig nervenden Verwandten, mit dem man total zerstritten ist? Ich und meine Familie, meine Freundinnen und Freunde, alle, die so ticken wie ich – die sollen ewig leben. Aber Gott sollte es nicht übertreiben mit der Freiheit.

Aber Gott übertreibt. Es gibt keine Privilegien nur für mich. „Alles, was euch die Leute tun sollen, tut ihnen auch.“ Der einzige Weg. Auch, um wirklich frei zu sein. In jedem Leben.

Pfarrer Detlev Schuchardt, Evangelische Kirchengemeinde Bad Lippspringe

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 19. November 2021.