Es ist nicht alles gut
Auf ein Wort
Wie begehen Sie den heutigen „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“? Ausgelassene Feiern sind wohl nicht angesagt, weder angesichts des Weltfriedens noch angesichts der Gleichberechtigung von Frauen. Beides sind Themen, die wir nicht irgendwo in der Weltweite verorten und angehen müssen, sondern hier, vor Ort. Frauen in Deutschland (genau, hier in Paderborn) verdienen laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer (Bruttostundenverdienst). Frauen leisten deutlich mehr unbezahlte Arbeit, pro Tag in der Regel eine Stunde und siebzehn Minuten mehr. Mehr an Arbeit im Haushalt, Erziehungsarbeit, Care-Arbeit. Frauen sind unterrepräsentiert in öffentlichen Entscheidungsprozessen und politischen Ämtern.
Tage wie heute sind hilfreich, um in Erinnerung zu rufen: Nein, es ist nicht alles gut. Auch wenn wir ganz alltäglich damit leben und die meisten Menschen sich daran gewöhnt haben. Ungerechtigkeit sollte nicht als Normalzustand hingenommen werden. Und bevor Sie sich jetzt wundern, warum dieser Beitrag aus der evangelischen Kirche kommt: Nein, auch bei den Protestanten ist nicht alles viel besser. Nicht beim Thema Missbrauch und auch nicht beim Thema Gleichberechtigung von Frauen.
Unrecht aufzeigen ist der erste Schritt. Was macht Hoffnung für weitere Schritte? Ich bin Theologin, deshalb wird es Sie kaum erstaunen zu lesen: das Vertrauen darauf, dass Gott Menschen gleichwertig und mit gleicher Würde begabt hat. Im Neuen Testament der Bibel erinnert Paulus: „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus.“ (Brief an die Gemeinden in Galatien 3,28). Im Koran in der Sure „an-Nisa“ (4) heißt es: „O ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, der euch erschaffen hat aus einer einzigen Seele und aus dieser Seele ihren Partner erschaffen hat“. Und auch die jüngste der Weltreligionen, die Bahá’í-Religion, trägt ein starkes Bild bei: „Die Menschenwelt hat zwei Flügel: Den einen bilden die Frauen, den anderen die Männer. Nur wenn beide Flügel gleichmäßig entwickelt sind, kann der Vogel fliegen.“ (Abdul-Baha‘).
Mir stellen sich zwei Fragen: „Was wäre möglich, wenn …?“ und „Warum eigentlich muss das so schwer sein?“ Ich wünsche einen visionären Feiertag.
Pfarrerin Antje Lütkemeier, Evangelische Kirchengemeinde Bad Lippspringe
Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 8. März 2024.