Ein sensibles Gegenüber

Auf ein Wort

Pfarrerin Elke Hansmann

Pfarrerin Elke Hansmann

Er war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Entscheidung war, seine Hündin mit zu seiner Großmutter ins Seniorenheim zu nehmen. Erlaubt war es, aber Mia, erst ein paar Monate alt, zeigte sich manchmal recht ungestüm und nicht leicht zur Ruhe zu bekommen. Doch Oma würde sich freuen. Sie liebte Hunde und früher gab es einen in der Familie. Nach dem Besuch blieb er noch eine ganze Weile überrascht. Die kleine Hündin hatte sich ruhig und geduldig von seiner Großmutter streicheln lassen. Schmiegte sich an ihr Bein, wie die Oma da etwas zerbrechlich in ihrem Sessel saß. Und anders als sonst legte Mia sich dann ruhig zu ihren Füßen bis zum Ende des Besuches. Anscheinend hatte Mia gespürt, was die alte Dame brauchte.

Vielleicht ist es vor allem das, was Viele in den letzten Monaten dazu gebracht hat, sich ein Tier anzuschaffen. Denn Tiere haben oft ein gutes Gespür für die Gefühlslage ihrer Menschen und stellen sich darauf ein. So sind sie ein sensibles Gegenüber. Und ein solches Gegenüber brauchen wir, tut uns gut.

Wir wünschen uns oft, dass Menschen uns so sensibel und aufmerksam begegnen. Wenn wir müde oder auch mit Ärger nach Hause kommen. Wenn uns mal wieder alles zu viel wird. Wenn wir uns in einer schwierigen Lebenslage befinden. Dann tut es uns gut, wenn ein Mensch in unserer Umgebung mit Sensibilität und Empathie für uns da ist. Aber so manches Mal wird dieser Wunsch, diese Erwartung nicht erfüllt.

Die Bibel gibt uns mit auf den Weg: „Lasst uns aufeinander achten, zur Liebe ermutigen und zu guten Taten anspornen.“ (Hebräer 10,24) Achtsamkeit im Blick auf das eigene Leben und der Wunsch nach Sensibilität ist das eine, aber das ist keine Einbahnstraße. Lasst uns aufeinander achten, einer auf den anderen. Denn mein Gegenüber freut sich ebenso über eine einfühlsame Nachfrage, wie es geht, und über aufmerksames Zuhören, was einen beschäftigt.

Mein Wunsch für die kommende Zeit ist, dass ich ein sensibles Gegenüber erleben darf, aber auch, dass ich ein solches Gegenüber für meine Mitmenschen bin. Darauf möchte ich achten und mir Zeit dafür nehmen. Die Freude über den Besuch ihres Enkels war groß. Ganz glücklich hat sie in den kommenden Tagen aber vor allem von dem Hund erzählt. Mia hat ihr gut getan, tierisch gut.

Elke Hansmann, Pfarrerin im Evangelischen Kirchenkreis Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 12. März 2021.