KiTa-Träger im Kreis Paderborn schlagen Alarm

Offener Brief an Ministerien und Politik

In einem offenen „Brandbrief“ an die Landtagsabgeordneten der Regierungsfraktionen in Ostwestfalen-Lippe, die Landesfamilienministerin, den Landesfinanzminister, die Staatskanzlei und den Städte- und Gemeindebund haben freie und kirchliche Träger von Kindertageseinrichtungen im Kreis Paderborn auf die akute Finanzierungsnot, den dramatischen Fachkräftemangel und erhebliche Belastung der pädagogischen Fachkräfte in ihren Einrichtungen hingewiesen. Die Träger erwarten, dass ihre Vorschläge gehört und umgesetzt werden und hoffen, dass bei allen Entscheidungen die Belange der Kinder vorrangig behandelt werden.
Für die evangelischen Träger haben der Verbund der Tageseinrichtungen für Kinder im Evangelischen Kirchenkreis Paderborn und die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Paderborn den Brief unterzeichnet.

Der Brief im Wortlaut:

Offener Brief: KiTa-Träger im Kreis Paderborn schlagen Alarm

Guten Tag, sehr geehrte …,

in der Kinder- und Jugendhilfe wird Subsidiarität konkretisiert als bedingter Vorrang vor dem öffentlichen Träger bei der Bereitstellung von Leistungen (§ 4 Abs. 2 SGB VIII). In diesem Sinne engagiert sich im Kreis Paderborn eine Vielzahl von freien und kirchlichen Trägern bei der Vorhaltung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebotes in Tageseinrichtungen für Kinder.

Akute Finanzierungsnot
Bei aller Verschiedenheit in der Trägerlandschaft verbindet uns derzeit eine akute Finanzierungsnot. Unter den Rahmenbedingungen des KiBiz sind wir nicht mehr in der Lage, ein qualitativ hochwertiges Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebot vorzuhalten. Unsere Jahresabschlüsse 2022 waren je nach Größe der Trägerschaft in besorgniserregender Höhe negativ. Als tarifgebundene Träger sehen wir mit Sorge auf die laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Schon heute zeichnet sich ab, dass die KiBiz-Budgets am 01.08.2023 nicht ausreichen werden, um allein die Personalkosten zu finanzieren. Die steigenden Sachkosten sind dabei noch außer Acht geblieben.

Problem: Zeitversetzte Dynamisierung
Die Nichtauskömmlichkeit der KiBiz-Budgets sollte Ihnen bekannt sein. Wesentliche Ursache ist die zeitversetzte Dynamisierung der Kindpauschalen, die im Gesetz verankert ist. Wir erwarten, dass das Gesetz an dieser Stelle kurzfristig nachgebessert wird. Im Übrigen fragen wir nach den Ergebnissen der KiBiz-Evaluation. Der Evaluationsaufwand war erheblich (ca. 10 Stunden je KiTa). Warum beteiligen sich nur wenig kommunale Träger an der Evaluation? Wann liegen belastbare Ergebnisse der Untersuchung vor? Ein Abwarten bis zur angekündigten KiBiz-Novellierung 2026/2027 werden wir betriebswirtschaftlich nicht überleben.

Bei unserer Forderung nach einer auskömmlichen Finanzierung bleiben politisch sehr relevante Aspekte noch außer Acht. Wir wünschen uns z. B. eine sachgerechte Finanzierung von Waldkindergärten oder Anreize zur Schaffung von mehr Klimagerechtigkeit in unseren Einrichtungen.

Dem Fachkräftemangel mit Finanzierung von Ausbildung begegnen
Der Fachkräftemangel in unseren Einrichtungen nimmt dramatische Züge an. Dies allerdings nicht wegen der Unattraktivität des Berufsbildes von Erzieherinnen und Erziehern. Wir müssen dringend mehr Energie in die Ausbildung der Nachwuchskräfte investieren. Die Ausbildung von PIA-Praktikanten kostet den Träger ca. 44.000 Euro für die Ausbildungszeit. In unserer Region gibt es ausreichend interessierte Bewerbungen für die PIA-Ausbildung. Wir würden unser Ausbildungsengagement nachhaltig erhöhen, wenn das Land die Ausbildungskosten zu 100% übernimmt. Diese Maßnahme würde mittelfristig für eine wirksame Entlastung auf dem Arbeitsmarkt führen. Vom „Sofortprogramm“ der Landesregierung versprechen wir uns keinerlei positive Effekte.

Pädagogische Fachkräfte sind am Belastungslimit
Die Mitarbeitenden in den Tageseinrichtungen sind nach der Pandemie erheblich belastet, krankheitsbedingte Ausfälle gehören zum KiTa-Alltag. Die Belastungssituationen in den Familien erhöhen den Druck auf unsere Mitarbeitenden. Mit Sorge beobachten wir eine Zunahme von Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind stark gefordert bei der Beratung von Familien oder in der Verwaltung, wenn zum wiederholten Mal Betreuungszeiten eingeschränkt werden müssen, weil personelle Ressourcen fehlen. Auf der Strecke bleibt regelmäßig die Erfüllung des Bildungsauftrages. Negative Folgen für den Verlauf von Bildungskarrieren der Kinder sind vorprogrammiert. Eine wirksame Entlastung der KiTa-Leitungen und päd. Fachkräfte versprechen wir uns z. B. von verbesserten Rahmenbedingungen für die Ausbildung (on top-Einsatz der Azubis und zusätzliche Stellenanteile für Praxisanleitung), von einem nachhaltig finanzierten Einsatz der KiTa-Helfenden und von Verwaltungskräften.

Als freie Träger stehen wir „mit dem Rücken zur Wand“. Der unsichere Finanzierungsrahmen schafft Unsicherheit in der Mitarbeiterschaft. Wir brauchen JETZT Sicherheit für uns als Träger, für die Mitarbeitenden und für die Familien, die sich – wegen des gesetzlich garantierten Rechtsanspruchs auf Tagesbetreuung – auf uns verlassen müssen. Wenn das Land und die öffentliche Jugendhilfe nicht kurzfristig handeln, werden sich gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Folgen ergeben, die kaum heilbar sein werden.

Unsere Fragen und Erwartungen
Wir stellen uns die Frage, welchen Stellenwert die Zukunft der Kinder in NRW hat. Wir können die politischen Entscheidungen nicht nachvollziehen. Wir verlieren das Gefühl, dass wir uns gemeinsam mit dem Ministerium für die Belange der Kinder einsetzen. Es entsteht der Eindruck, dass wir als Bittsteller auftreten und um die notwendigen finanziellen Ressourcen feilschen müssen. Wir stehen für die Praxis und erwarten, dass unsere Vorschläge entsprechend gehört und umgesetzt werden.

Wir erhoffen uns, dass bei allen Entscheidungen, die Belange der Kinder vorrangig behandelt werden.

Wir erwarten eine klare Positionierung in der Öffentlichkeit mit der Anerkennung, dass das Finanzierungssystem für KiTas nicht auskömmlich ist. Im Augenblick fühlen wir uns als freie Träger mit den drängenden Problemen – Unterfinanzierung in Kombination mit Fachkräftemangel – allein gelassen.

Gerne stehen wir Ihnen zum Gespräch und Austausch zur Verfügung.

Diesen „Brandbrief“ erhalten gleichlautend die Landtagsabgeordneten der Regierungsfraktionen in OWL, die Landesfamilienministerin, der Landesfinanzminister, die Staatskanzlei und der Städte- und Gemeindebund.

Freundliche Grüße

Christlicher Schulverein Paderborn e. V., Eduard Butt
Evangelischer Kirchenkreis Paderborn, Verbund der Tageseinrichtungen für Kinder, Ulrike Freitag-Friedrich
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Paderborn, Pfarrer Thomas Walter
Kath. Kindertageseinrichtungen Hochstift gem. GmbH, Detlef Müller
Kolping Kita gGmbH, Claudia Tschackert
KreisSportBund Paderborn e. V., Karin Suerland
MZG-Kinderland, Ulrich Milchers
PariAktiv, Carde Gerling
Regenbogen KiTas, Martin Henze
Stepke – KiTas, Jutta Thomas