Werdet evangelisch!

Auf ein Wort

Pfarrer Thomas Walter, Matthäus-Pfarrbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Pfarrer Thomas Walter, Matthäus-Pfarrbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Nein, dies wird kein Aufruf zum Konfessionswechsel. Trotz des merkwürdigen Lobs von Papst Franziskus über die evangelische Kirche: „In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon.“ Trotz der vielen neuen Steine, die die Kurie in Rom den Reformbemühungen der katholischen Kirche in Deutschland in den Weg legt.

Ich denke vielmehr an den Satz von Jesus aus Markus 1: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Denn „evangelisch“ ist viel mehr als nur einer bestimmten Konfession anzugehören.

Auch Martin Luther wollte eigentlich keine Kirche gründen. Er wollte seine – die katholische – Kirche reformieren und zu ihrer Grundlage, dem Evangelium zurückführen. Evangelium – das hatte Luther in einem langen harten Ringen entdeckt – ist die frohe Botschaft von der Befreiung aller Menschen allein aus der Gnade Gottes durch das Vertrauen auf Jesus Christus. Oder etwas moderner ausgedrückt: Evangelium ist die frohe Botschaft, dass ich geliebt bin um meiner selbst, ohne dass ich diese Liebe verdient hätte. Nur Gottes Liebe allein macht mich selig, keine Werke, keine Frömmigkeit und erst recht keine Institution.

Ist das wirklich noch wichtig? In einer sich ständig verändernden Welt voller Krisen ringen wir darum, wie Zukunft aussehen kann und muss. Das sind wichtige Fragen, die jeder einzelne sich stellt. Kirche ist hier oft eher Bremser als Motor – leider! Dabei gibt das Evangelium Kraft und Freiheit für neue Wege: weil ich von Gott geliebt bin, schaue ich hoffnungsvoll in die Zukunft, selbst wenn die Probleme unüberwindbar scheinen. Weil Gottes Liebe allen Menschen gilt, freue ich mich auf jeden, der mir begegnet, egal aus welcher Kultur er kommt. Weil ich allein aus der Liebe Gottes lebe, kann ich lernen zu verzichten, wo mein Verhalten anderen oder der Natur schadet. Und weil mir die Liebe, die ich empfangen habe, wichtiger ist als alles andere, werde ich dafür kämpfen, dass Gerechtigkeit und echter Frieden in dieser Welt aufgerichtet wird.

Ich glaube, dazu brauchen wir starke Orte, wo wir uns treffen, von Gottes Liebe hören und uns ermutigen können, aber auch feiern wie jetzt bei Libori. Darum hoffe ich, dass die Kirchen aus ihrer Krise herausfinden und das Evangelium wieder fröhlich und mutig verkünden.

Pfarrer Thomas Walter, Matthäus-Pfarrbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 29. Juli 2022.