1983 wurde erstmals in Deutschland ein Kirchenasyl gewährt

Kirchenasyl ermöglicht anderen Blickwinkel auf Situation von Geflüchteten

Nahmen bei der Diskussion „Kirchenasyl – Flucht, Schutz und Verantwortung“ in der Niedernmühle in Büren auf dem Podium Platz (v.li.): Dr. Stefanie Kolbusa von der Regionalstelle der evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Paderborn, Benedikt Kern vom Institut für Theologie und Politik und Berater von Kirchenasylen in NRW, Pfarrerin Sabine Sarpe aus Borchen, Alhousseiny Barry, Erzieher mit Kirchenasylerfahrung und Dr. Thomas Witt, ehemaliger Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Paderborn.Foto: Axel Langer

Nahmen bei der Diskussion „Kirchenasyl – Flucht, Schutz und Verantwortung“ in der Niedernmühle in Büren auf dem Podium Platz (v.li.): Dr. Stefanie Kolbusa von der Regionalstelle der evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Paderborn, Benedikt Kern vom Institut für Theologie und Politik und Berater von Kirchenasylen in NRW, Pfarrerin Sabine Sarpe aus Borchen, Alhousseiny Barry, Erzieher mit Kirchenasylerfahrung und Dr. Thomas Witt, ehemaliger Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Paderborn.
Foto: Axel Langer

Von Axel Langer

Büren. „Der Schutz von Menschen ist weltweit ein wichtiges Thema“, leitete Moderatorin Dr. Stefanie Kolbusa, Referentin für Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Paderborn, eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kirchenasyl – Flucht, Schutz und Verantwortung“ in der Niedermühle Büren ein. Auf dem Podium nahmen Pfarrer, Betroffene und Fachleute Platz. Man habe auch Gegner des Kirchenasyls für die Podiumsdiskussion angefragt, aber nach Worten von Stefanie Kolbusa teilweise nicht einmal eine Rückmeldung bekommen. Veranstalter war die Erwachsenenbildung in Kooperation mit der Evangelischen Erlöser-Kirchengemeinde am Sintfeld.

1983 hat es, nach Worten von Benedikt Kern vom Institut für Theologie und Politik und Berater von Kirchenasylen in NRW, erstmals in Deutschland ein Kirchenasyl gegeben. Schon in der Antike oder im Mittelalter haben Menschen Zuflucht in Kirchen gesucht. 1983 wurde von einem Gericht die Ablehnung eines Asylantrags eines aus dem Libanon stammenden Palästinensers beschlossen, woraufhin dieser aus einem Fenster sprang und sich dabei tödliche Verletzungen zuzog. In der Folge hat es in West-Berlin erstmals ein Kirchenasyl gegeben.

Kirchenasyl werde mit dem christlichen Menschenbild begründet, bei dem die Kirche einen Schutzraum bietet, wenn inhumane Abschiebungen drohen und alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die Gastfreundschaft aus theologischer Überzeugung stehe an erster Stelle, nicht die Rechtsprechung „Es gibt Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche, die aber keinen rechtlich bindenden Charakter haben“, so Benedikt Kern. Genau darin liege jedoch die Stärke des Kirchenasyls. „Das Kirchenasyl bewegt sich in einem Graubereich, der nicht klar rechtlich definiert ist und so die Möglichkeit einer Neubewertung bietet. Es geht um den Schutz einzelner Menschen“, betonte Benedikt Kern. Seit 2012 sei die Zahl der Kirchenasyle angestiegen. Im Jahr 2024 hat die Zahl der Asylanträge in Deutschland abgenommen. Von den rund 100.000 Anträgen seien nach Worten von Benedikt Kern im vergangenen Jahr 30.000 Dublin-Verfahren eröffnet. Das Dublin-Verfahren bezeichnet Asylanträge, die im Einreiseland in die EU gestellt werden und nur durch einen Mitgliedsstaat der EU bearbeitet werden. So solle die Sekundärwanderung innerhalb Europas gesteuert werden. Halten sich Flüchtlinge ein halbes Jahr in einem anderen EU-Staat auf, wird das Verfahren durch das Land durchgeführt, in dem die Geflüchteten sich aufhalten. 2024 hat es bundesweit 2.900 Kirchenasyle gegeben.

„Nicht jeder Asylbewerber erhält automatisch Kirchenasyl. Es gibt eine intensive Prüfung. Selbstverständlich akzeptieren wir die Rechtsprechung, allerdings bietet das Kirchenasyl die Möglichkeit, die Situation des Geflüchteten oder seiner Familie darzustellen“, so Pfarrerin Sabine Sarpe von der Evangelisch-Lutherischen Stephanus-Kirchengemeinde Borchen. Seit 2016 hat die Kirchengemeinde immer wieder Kirchenasyle in ihren Räumen ermöglicht. Die Menschen leben in der Regel in drei-vier-Bett-Zimmern zusammen. „Die evangelische Kirchenleitung spricht sich ausdrücklich für Kirchenasyl aus, allerdings verdeutlicht sich dies nicht in finanzieller Unterstützung“, so Pfarrerin Sabine Sarpe. Sarpe wies auf teils schlimme Zustände in Drittländern hin. „Die Abnahme von Finderabdrücken wird teilweise erzwungen. Sprachkurse oder Arztbesuche werden nicht gewährt“, sieht Sabine Sarpe in vielen Drittstaaten keine rechtsstaatlichen Verfahren. Als skandalös bezeichnete es Benedikt Kern, dass es politisch gewollt sei, sich die Asylbewerber vom Hals zu halten.

Auf dem Podium nahm auch der ehemalige Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Dr. Thomas Witt, Platz. „Wir lassen Menschen nicht ins Verderben laufen und sind vom Schicksal angerührt. Die katholische Kirche ist da deutlich zurückhaltender als die Evangelische. Das Bistum hat eine Handreichung herausgegeben, wie ein Kirchenasyl durchgeführt werden könne“, so Dr. Thomas Witt. Auch die sieben Gemeinden, in denen er als Pfarrer vor Ort ist, sähen das sehr unterschiedlich. Eine Gemeinde habe einen grundsätzlichen Vorratsbeschluss gefasst, um Kirchenasyl zu gewähren. Hier stünden allerdings auch geeignete Räumlichkeiten und Helfer zur Verfügung. Andere Gemeinden hätten erst überzeugt werden müssen. Man habe gute Erfahrungen mit dem Kirchenasyl gemacht.

Über seine Erfahrungen mit dem Kirchenasyl berichtete Alhousseiny Barry, der inzwischen in Deutschland als Asylbewerber anerkannt ist und als Erzieher in einem Kindergarten arbeitet. 2009 habe er nach einem Putsch in seinem Heimatland Guinea gedolmetscht. „Das war mein erster Job nach dem Studium“, so der studierte Lehrer. Nach drei Monaten wurde er dann verfolgt. „Ich habe mich versteckt und dann das Land verlassen“, so Alhousseiny Barry, der aus politischen Gründen nach Deutschland gekommen ist. Nach sechs aufwühlenden Jahren in Deutschland wurde er abgelehnt und hatte seine Sachen bereits für eine Ausreise nach Südeuropa gepackt. „Eine Rückkehr nach Guinea war für mich ausgeschlossen“, betonte er. Seinerzeit arbeitete er als Assistent in Schloß Hamborn und war gut integriert. „Viele Menschen haben sich für mich eingesetzt, und so ist es zum Kirchenasyl gekommen. Das hat mein Leben verändert. Ich wurde als Moslem in einer christlichen Kirche aufgenommen, ohne meinen Glauben zu verlieren“, berichtete Alhousseiny Barry. Das Kirchenasyl ermöglichte eine Prüfung des Einzelfalls, und gab ihm die Zeit, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben, wodurch die Abschiebeandrohung hinfällig wurde.

Durch die aktuelle politische Situation nimmt, nach Worten von Benedikt Kern, der Druck auf Kirchenasyle zu. „Im Jahr 2024 hat es bundesweit elf Räumungen von Kirchen gegeben. Das sind so viele, wie in zehn Jahren zuvor insgesamt nicht. Die Zahl der Abschiebungen steigt. Die Kirchen bekennen sich trotzdem öffentlich zum Kirchenasyl“, stellte Benedikt Kern abschließend fest.