Der Traum vom Frieden

Auf ein Wort

Schulpfarrerin Silvia Reinecke

Schulpfarrerin Silvia Reinecke

„Ich sah heut Nacht im Traum vor mir ein endlos weites Feld, Millionen Menschen sah ich dort aus allen Ländern der Welt. Ich sah im Traum die ganze Menschheit einig und befreit von Folter, Hass und Völkermord für jetzt und alle Zeit.“ Den „Traum vom Frieden“ Hannes Waders ergänze ich in Anlehnung an die berühmte Rede Martin Luther Kings: Ich habe einen Traum, dass eines Tages Russen und Ukrainer miteinander am Tisch der Geschwisterlichkeit sitzen. Ich habe einen Traum, dass einmal die ganze Welt verwandelt sein wird in eine Oase der Gerechtigkeit.

Nun sieht die gegenwärtige Wirklichkeit völlig anders aus. Es ist entsetzlich! Nach dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine sind siebzig Jahre Frieden in Europa mit einem Schlag vorbei. Immer weiter eskalierende Gewalt tritt die Menschenwürde, Menschen- und Völkerrecht in den Staub und zieht mit Todesopfern, Verletzten, zerstörten Städten und Millionen Flüchtlingen eine einzige Spur der Verwüstung.

Im Religionsunterricht und bei Friedensgebeten sprechen Schülerinnen und Schüler nun ihre Ängste aus. Ihre Sorge um die Familie in der Ukraine, ihre Angst vor einem dritten Weltkrieg oder einem Atomschlag. Es gelingt, ihnen diese Angst zu nehmen. Ihnen zu erklären, dass die NATO sich nicht an Kampfhandlungen beteiligen wird, damit der Krieg nicht auf andere Länder übergreift. Ein Schüler sagt aber auch: „Der Krieg ist mir egal. Das betrifft mich nicht.“ Wie bitte? Wie kann das sein, dass jemand so mitleidlos ist? Wir sind doch alle Menschen, leben unter einem Himmel! Wie kann einem da Menschenquälerei egal sein? Sofort fällt mir Jesus am Kreuz ein, der vor Schmerz seine Seele in den Himmel schrie. In seinem Selbstopfer begegnet mir der mitmenschliche, der mitleidende Gott, der immer an der Seite der Opfer steht. Wie sind nun aber die himmelsschreiende Ungerechtigkeit und die eigene Hilflosigkeit zu ertragen? Mir tut es gut, mich vom Bösen in den Kriegsbildern bewusst abzuwenden. Ich lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen, freue mich an ersten Knospen, lasse so die Seele aufatmen und gönne ihr Pausen. Junge Menschen brauchen heute mehr denn je Stabilität und Sicherheit. Sie sind gegen Gewalt und beten für ein Ende des Krieges. Sie hören die Worte Jesu: „Selig sind die Friedensstifter, selig sind die Barmherzigen“ und sehen zum Kräftetanken für die Zukunft auf die heutigen Bilder der Hoffnung: Auf ein einiges Europa, das Flüchtlingen einen Platz an seinem Tisch gibt, auf abertausende Menschen, die für den Frieden aufstehen und auf die große Welle der Hilfs- und Spendenbereitschaft. Wir sehen Anzeichen dafür, dass das große Ziel erreichbar ist! Ich habe einen Traum. Der Traum vom gerechten Frieden in Mitmenschlichkeit kann Wirklichkeit werden!

Silvia Reinecke, Schulpfarrerin des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 11. März 2022.