„Sag` mir, wo die Blumen sind…“

Auf ein Wort

Heidrun Greine, Pfarrerin der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) Paderborn

Heidrun Greine, Pfarrerin der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) Paderborn

Dieses Lied geht mir seit Wochen wie ein Ohrwurm durch den Kopf. Alle in den 1960er und 1970er Jahren aufgewachsenen Menschen werden dieses Antikriegslied „Where have all the flowers gone“ von Pete Seeger kennen. Und möglicherweise jetzt auch die jüngeren Menschen. Wir haben nur alle nicht mehr gedacht, dass sein Inhalt uns in Europa so nahekommt. Welch merkwürdiger Zufall, dass die Idee zu diesem Lied einerseits aus einem ukrainischen Volkslied und andererseits aus einem sowjetischen Roman stammt. Beginnend mit der harmlosen Frage nach dem Verbleib der Blumen steigert sich die Dramatik des Liedes bis zur bitteren Realität des Todes und der Gräber, um dann wieder zur Anfangsfrage zurückzukehren. „Wann wird man je verstehen?“

Ich kann die Bilder nicht mehr abschütteln, die sich mir in allen Medien präsentieren. Was bleibt, ist eine tiefe Verunsicherung und eine Hilflosigkeit angesichts des Krieges. In den 1980er Jahren konnte ich noch voller Überzeugung gegen die Stationierung der Pershing Raketen demonstrieren, Friedenslieder singen und den Aufkleber „Schwerter zu Pflugscharen“ an mein Fahrrad kleben. Damals war es relativ leicht, die christliche Friedensethik gegen Kriegswaffen zu vertreten. „Krieg darf um Gottes Willen nicht sein“; dieses Transparent habe ich jüngst in einer Kirche gelesen und dem würde ich auch immer noch zustimmen. Aber es gibt Krieg und ich bin gegen Waffen, aber andererseits gibt es Menschen, die ohne die Waffen sterben. Aber es sterben auch mit Waffen Menschen.

Was kann ich als Christin in dieser Zerrissenheit tun? Geflüchteten helfen, für den Frieden beten, meinen Nächsten und auch meinen Feind lieben. Manches davon gelingt… Ich hoffe auf den Geist der Einigung und Verständigung, der die Menschen zusammenbringt und ihnen hilft, ein erfülltes und friedliches Leben zu führen. Christen nennen diesen Geist den Heiligen Geist, weil er mehr vermag als Waffen, er arbeitet mit dem Tool der Liebe. Mit dem Vorbild Jesu können wir aus einem winzigen Samen menschlicher Liebe Blumen erblühen lassen. Vielleicht können wir daraus einen stattlichen Blumenstrauß binden. Hass produziert immer mehr Hass, aber Liebe breitet sich unendlich aus, verzeiht und versöhnt. Das wissen nicht nur Mütter. Wenn Sie am Sonntag im Blumenladen plötzlich meinen Ohrwurm teilen, dann würde ich mich sehr freuen. „Wann wird man je verstehen?“

Heidrun Greine, Studierendenpfarrerin der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 6. Mai 2022.