Sagen, was ist

Auf ein Wort

Pfarrer Christoph Keienburg

Pfarrer Christoph Keienburg


„Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat“ (Rosa Luxemburg/Ferdinand Lasalle)

Schwierig, das Einparken an dieser Stelle der Hatzfelder Straße. Vor allem mit einem dicken Bulli. Zumal, wenn hinter der Parkbucht ein nicht minder fetter SUV parkt. Zwei für die insgesamt nur drei Insassen völlig überflüssig große Fahrzeuge. Es hat wohl etwas gequietscht. Hinten am Lack ist rote Farbe erkennbar, die da ursprünglich sicher nicht hingehörte. Blöd gelaufen.

Die Fahrerin erklärt ihrer kleinen Tochter, was passiert ist. Dass „wir nicht einfach loskönnen“, sondern seit zwanzig Minuten auf die Polizei warten, zusammen mit der Freundin, die „eingewunken“ hat. Aber der SUV-Mann ist freundlich und geduldig, die Beamten sind es gleichfalls, die Frage, wer die Schramme an beiden Fahrzeugen verursacht hat, ist schnell geklärt. Personalien? Fahrerin? Halterin? Die BeamtInnen ziehen ihrer Wege. Die helle Stimme der Autofahrerin hallt wider von der Häuserfront: „War für mich klar, dass ich schuld war. Ich bin Christin. Christus erwartet von uns, dass wir unseren Mitmenschen gegenüber die Wahrheit sagen. Was soll ich da rumlügen?“

Ich will die Szene nicht pathetisierend aufladen. Die Worte, die ich, unbeteiligt-unfreiwillig, mitbekomme, gehen mich nichts an. Aber es ist, als sei ein Lichtschweif über das Firmament gezogen. Was war das? Sicher keine Missionspredigt wie bei einem jener peinlichen Auftritte in der Fußgängerzone, die einen vor Fremdschämen im Boden versinken lassen. Eine Entschuldigung? Vor der Freundin? Vor dem etwaigen Lebensgefährten zuhause – dafür, dass sie nicht verhandelt, gefeilscht, auf Empfehlung ihrer Versicherung am besten erst mal die Klappe gehalten hat?

Die erstaunlichen Worte der jungen Mutter lassen sich auch anders lesen: als Selbstvergewisserung, als adventliches Sich-Ausrichten. „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Befreiung naht! “ – Dieses Wort des Nazareners, bei Lukas verzeichnet, eröffnet in den evangelischen Gemeinden die zweite Adventswoche. „Was soll ich da rumlügen?“ Der Messias Jesus erwartet von mir, dass ich mein Haupt erhebe – Was hindert mich daran zu sagen, was ist?

Einen gesegneten 3. Advent wünscht Ihnen
Pfarrer Christoph Keienburg, Lukas-Bezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 15. Dezember 2023.